Berlinfieber – Wolf Vostell

16mm, Farbe, 12min

Eine Happening-Dokumentation von Ulrike Ottinger

„ADA Aktionen der Avantgarde, unter diesem Stichwort fand sich 1973 im Neuen Berliner Kunstverein eine Initiativgruppe zusammen, um kurzfristig ein Modell einer Veranstaltung experimenteller Kunst zu den Berliner Festwochen 1973 zu realisieren. ADA ging von der Idee aus, traditionelle Ausstellungsformen zu überwinden. ADA sollte nicht von ‚Machern‘ konzipiert werden, sondern von Künstlern. ADA sollte nichts Feststehendes sein, das dem Publikum zum Eröffnungstag fertig und für vier oder fünf Wochen unverändert serviert wird.“ (Jörn Merkert, Ursula Prinz)

Der Künstler Wolf Vostell beteiligte sich an der ersten Ausgabe der Veranstaltungsreihe ADA mit seinem Environment „Auto-Fieber“ und dem Happening „Berlinfieber“.

Ulrike Ottinger dokumentierte Beides. Daraus entstand der Film "Berlinfieber – Wolf Vostell", eine Happening-Dokumentation von Ulrike Ottinger.

Happening für Ada 1

A) Kommen Sie mit Ihrem Wagen zur Osdorfer Straße in Berlin Lichterfelde (Sackgasse), letztes Stück der Straße auf der rechten Seite.
B) Nehmen Sie Aufstellung mit Ihrem Wagen in 10er-Reihen, so dicht wie möglich mit dem Auto nebeneinander und hintereinander.
C) Auf ein Zeichen hin fahren alle Wagen gleichzeitig los und versuchen so langsam zu fahren, wie es nur möglich ist. Versuchen Sie auch, so dicht hinter und neben den anderen Fahrzeugen zu bleiben.
D) Wenn Sie Begleiter im Auto haben, sollen diese aufschreiben, wieviel Male Sie schalten, kuppeln und Gas geben. Sind Sie alleine im Wagen, versuchen Sie sich über jede kleinste Handlung bewußt zu werden. Addieren Sie in Ihrem Gehirn alle diese Tätigkeiten als psychoästhetische Produktion.
E) Nach 30 Minuten langsamster Fahrt steigen Sie aus dem Wagen aus (Motor abstellen) und gehen zum Kofferraum Ihres Fahrzeuges, dort öffnen und schließen Sie den Kofferraum
750 mal und legen 375 mal einen weißen Teller hinein und nehmen ihn 375 mal wieder hinaus. Dieses Ritual soll möglichst schnell und ohne Unterbrechung realisiert werden, auch ohne Dramatik des Handelns.
F) Ist dieses Ereignis vollzogen, dann legen Sie Stoffbahnen auf die Erde vor der Autokolonne, Ihren weißen Teller aus dem Kofferraum Ihres Wagens legen Sie auf die Stoffbahnen.
G) Eine Handvoll Salz nehmen Sie aus einem Sack, der unter dem größten nahegelegenen Baum steht. Diese Handvoll Salz legen Sie auf den Teller, den Sie vorher auf dem Tuch placiert haben.
H) Danach setzt sich die Wagenkolonne in Gang, wieder in langsamster Fahrt. Alle Wagen überqueren die Tücher mit den Tellern und dem Salz.
I) Während der ganzen Fahrt lecken Sie an der Hand, in der Sie vorher das Salz hatten.
J) Jetzt werden die Motoren wieder abgestellt. Jeder näht seinen überfahrenen Teller (oder die Reste) auf dem Nesseltuch fest. Eine Leiste wird ebenfalls oben angebracht, sowie Draht zum Aufhängen.
K) Jeder geht jetzt mit seinem Tuch zum Baum (wo der Sack Salz steht). Jeder bestimmt, wo im Baum sein Tuch mit dem aufgenähten Teller hängen soll. Durch einen Skylift wird sein Tuch am Baum befestigt.
L) Den Zettel mit den Aufzeichnungen über Kuppeln, Schalten, Gasgeben etc. befestigt jeder im Kofferraum mit dem Tesaband.
M) Bei Ihrem nächsten Fieber holen Sie erst den Zettel aus dem Kofferraum des Wagens und zerreißen ihn.
N) 3 Tage nach dem Happening ,,Autofieber" treffen Sie mit Vostell zusammen in der Akademie der Künste zu einem Gespräch um 18.00 Uhr. Notieren Sie Ihre Träume dieser 3 Tage und bringen Sie diese Aufzeichnungen mit zum Gespräch.
Vostell, 14.9.1973, Berlin

 

Auto-Fieber

Environment für Ada 1

Cadillac "Sedan", 2000 Teller, acht Motoren, zwei Sicheln, zehn Vorschlaghämmer, sechs Harken, verbleite Körper, Haare.  

Technische Installation: Werner Munk

Handlung für Publikum
Nachdem Sie von dem Environment nach Hause zurückkehren, messen Sie Ihre Temperatur. Notieren Sie diese auf einem Zettel mit Datum und Uhrzeit. Legen Sie diese Aufzeichnungen auf einen Teller, fügen Salz hinzu und stellen den Teller auf den Balkon oder Fenster bis zu Ihrem nächsten starken Fieber. Dann zerstören Sie den Teller.

„Autofahren ist Psycho-Aesthetik.” (Wolf Vostell)

Premiere: Dezember 1973, Akademie der Künste, Berlin

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