Countdown
COUNTDOWN folgt einem chronologischen Ablauf. Der Film wurde in Berlin und Umgebung gedreht, zehn Tage lang, bis zur Währungsunion am 1. Juli 1990, mit der ‚die erste Etappe der deutschen Wiedervereinigung‘ eingeleitet wurde. Doch was wird hier ausgezählt? Zusammengebracht oder aufs Neue getrennt?
Ulrike Ottinger über COUNTDOWN:
Der Film fängt an mit der Vergangenheit, mit dem, was verloren ist, mit den Toten, aber auch mit dem, was überlebt hat …
Der Jüdische Friedhof in Weißensee/Ost-Berlin mit Grabmälern, die verschiedene Epochen und Stile repräsentieren, erzählt uns vom kulturellen Hintergrund und Status der Verstorbenen, ihren orthodox-religiösen oder liberalen Vorstellungen. Verwunschene Orte wie verlassene orientalische Gärten, archaisch alttestamentarische Stelen oder einfache Schieferplatten, die der gemordeten Toten in Theresienstadt, Auschwitz und anderswo gedenken. Der Blick, der die Erinnerung weckt: Mit einem Fährboot vorbei an Häusern mit abblätternder Fassade, Feldern mit Mohn und Kornblumen zu Fischerdörfern mit Netzen, Holzbooten und Storchennestern auf Kirchtürmen. Das Gras wächst zwischen den Pflastersteinen. Danach eine Kamerafahrt auf dem ehemaligen Todesstreifen, der jetzt von Radfahrern und Spaziergängern genutzt wird. Ein neues beliebtes Ausflugsziel der Berliner.
Regie Produzentin |
Ulrike Ottinger Ulrike Ottinger |
Texte der Zwischentitel | Eva Meyer |
Ton | Margit Eschenbach |
Schnitt | Eva Schlensag |
Produktionsassistenz | Heidi Maria von Plato |
Produktion | Ulrike Ottinger Filmproduktion |
Mit Dank an | Oberkantor Estrongo Nachama |
Karsten Witte, Frankfurter Rundschau, 7. März 1991
[…] Ottinger, die oberflächenhaft dem Exotismus zugeordnet wird, geht [in ihrem dreistündigen Reisefilm Countdown] nicht anders vor, als in ihrem überragend sorgfältigen Dokument China, die Künste, der Alltag, der 1986 im Forum lief. Countdown ist der einzige westdeutsche Beitrag zur sich zwangsläufig ergebenden Reihe „Mauersprünge & Grenzgänge“. Zudem trägt er einen Titel der amerikanischen Militärsprache, der den Sekunden vor Abschuß einer Rakete gilt. Die Analogie trägt soweit, als daß hier Umkehrbewegungen, Temperaturverluste simuliert werden, die Berlins dauerhaft prekärer Eigenschaft als Transitstation gerecht werden.
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Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 28. Februar 1991
Keine besonderen Vorkommnisse, keine Aufregungen oder Überraschungen gab‘s auf dieser Berlinale, der ersten im „neuen“ Deutschland, trotz der Zeichen der Zeit, der (welt)politischen Entwicklungen zwischen Wüstenkrieg und Wiedervereinigung. Ein Arbeitsfestival eben, so hatte sein Leiter Moritz de Hadeln es zuvor angekündigt, ein wenig kokett gewiß, doch ganz entschieden.
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Annette Brauerhoch, Frauen und Film, Nr. 50/5 1, 1991
Eine Chronologie, die sich der historischen Spezifität geradezu verweigert — im Bemühen, gegen die punktuellen Sensationsmeldungen der Medien den langen Atem von Beobachtungen zu setzen […] Eindrucksvoll ist die Ruhe des Films, die Zeit, die er den Zuschauern läßt, sich selbst Fixpunkte in den Bildern zu suchen, die Geduld, die er für ‚Unscheinbares‘ hat.