Madame X

Eine absolute Herrscherin

Deutschland 1977, 16mm, Farbe, 141min

G o l d — L i e b e — A b e n t e u e r
Alle Unzufriedenheit, die in ihnen steckte,
vereinte sich zu einem machtvollen Ganzen
und mit günstigem Wind segelten sie davon.

Ich rufe auf zu der geistreichen, sarkastischen
und irgendwie doch romantischen Madame X!
Patricia Highsmith

Fotos zum Film
Besetzung/Stab
Madame X Tabea Blumenschein
Noa-Noa Roswitha Janz
Karla Freud-Goldmund Monika von Cube
Blow-up Irena von Lichtenstein
Josephine de Collage Yvonne Rainer
Hoi Sin Hella Utesch
Betty Brillo Lutze
Omega Zentauri La Mona
Orlando Ulrike Ottinger
Flora Tannenbaum Claudia Skoda
Belcampo Mackay Taylor
Moorenhut Jean Matelot
Lady Divine Mireille Wunderly
Passagiere und Besatzung
der Luxusjacht

Peggy von Schnottgenberg, Jenny Capitain,
Hans-Gebhart von Lenthe, Adelheid Westphal,
Cynthia Beatt
 
Buch/ Regie/ Kamera Ulrike Ottinger
Regieassistenten Peggy von Schnottgenberg (aka Frank Ripploh), Cynthia Beatt
Kameraassistent Wolfgang Senn
Kostüme Tabea Blumenschein, Hella Utesch, Claudia Skoda
Maske Tabea Blumenschein
Schnitt Dörte Völz
Tonmontage Ulrike Ottinger
Originalton Christian Moldt
Mischung Hans-Dieter Schwarz
Musik von Eric Satie, Gioacchino Rossini, Reynaldo Hahn,
Franics Poulenc

Premiere:
Steirischer Herbst 1977, Graz

Festivals:
Filmfestspiele Rotterdam 1978
Internationale Filmfestspiele Berlin 1978, Internationales Forum
Filmfestspiele Edinburgh 1978
Locarno 1978
Aperto 80, Biennale di Venezia
Festivals in New Delhi, San Francisco, Los Angeles, Chicago u.a.

Pressestimmen

Klaus Kemetmüller, Neue Zeit, Berlin, November 1977
[…] 'Gold - Liebe - Abenteuer' verheißt Madame X (Tabea Blumenschein), eine strenge, unerbittliche Schönheit, die ungekrönte und grausame Herrscherin des Chinesischen Meeres, in einem Appell an alle Frauen, die gewillt sind, ihren zwar bequemen und sicheren, aber fast unerträglich eintönigen Alltag einzutauschen gegen eine Welt voller Gefahren und Ungewißheit, aber auch voller Liebe und Abenteuer. [Madame X] ist der bislang witzigste, unkonventionellste und schönste deutsche Frauenfilm des Jahres. In satten Farben schwelgend, verwandelt Ottinger, die auch die Kamera führt, die Gegend auf und um den Bodensee in eine exotisch überquellende, irreale, männerfressende.
Ottinger integriert unzählige Elemente und Klischees des westlichen Kinos und verarbeitet nach dem Montage- und Collageprinzip ihre homoerotisch orientierte Phantasie zu einer eigenständigen Form unbändigen Kinos. Das Resultat ist ein filmischer Hexensabbat der entfesselten weiblichen Sexualität – ohne Hilfe des Teufels à la Hollywood. Die beißende Satire auf die festgefahrenen Verhaltensposen der Frau in der Zivilisation riskiert pausenlos Absurditäten, grelle Farben, irrationale Utopievorstellungen, dicke Schminke, ironische Nacktheit. Das Abenteuer, eine Frau zu sein, wird zum Frauenabenteuer […].

Karsten Witte, DIE ZEIT, 14.04.1978
[…] Das schafft Unbehagen an diesem Film, daß Frauen von Ritualen der Gewalt sich willig faszinieren lassen und – in der Männerphantasie – dabei das Territorium der Unschuld, der Vermeintlichkeit, als Frau ein besserer Mensch zu sein, verlassen.
[…] Dieser Film hat keine Spur von Ängstlichkeit. Im Gegenteil: denen, die gegen die Faszination dieser ritualisierten, vollkommen ästhetisierten Gewalt stramme Abwehr in Marsch setzen, macht er Angst. Denn auf dem Frauenschiff 'Orlando' sind die Flaggen: Angriff, Leder, Waffen, lesbische Liebe und der Tod mit einer Schönheit aufgezogen, die den Zuschauerblick nicht absolut beherrschen will. Die Ästhetik unterliegt strenger Stilisierung, die ohne Überwältigung sich frei herzeigt […].
Die Gesten sind auf kleinem Radius abgesteckt, die Mimik ist bisweilen dem Stummfilm abgeschaut. Das wirkt durchaus komisch, denn mit diesem inszenierten Mißverhältnis, der brillant gehandhabten Asynchronität (ich kenne kaum einen neuen Film, in dem die Funktion des Tons witziger geregelt wäre als hier) arbeitet der Film […].

Theodor Geus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.04.1978
Struwwelpeter für Emanzen. Dies ist ein ironisches, ja sarkastisches Spiel mit Tendenzen und Schlagworten unserer Zeit, ist eine parodistische Desillusionierung der geheimen Sehnsüchte, aber dahinter wird die Trauer über eine Realität sichtbar, die keinen Spielraum läßt und die so stark ist, daß auch der Ausbruch in eine Scheinwelt keine Lösung von ihr bringt. Ein Lehrstück also, das mit den Mitteln der Verfremdung Lektion erteilt, formal eine mit kunstvoller Raffinesse gebaute Szenenfolge, deren lähmend langsame Bildsequenzen das Auge fesseln […]

Monika Treut, Frauen und Film, Heft 28, 1981
[…] MADAME X repräsentiert nichts, weder die Macht noch die Ohnmacht der Frau(en); viel eher simuliert der Film: er arbeitet mit Zeichen, die Macht vortäuschen, die parodistisch auf ein Szenarium anspielen, das eher der Simulation (Vorspiegelung, Vorwand, Schein, Täuschung) angehört als der Wirklichkeit. Ein Spiel / Film also, der die Möglichkeiten von phantastischen Handlungen in der Abgeschlossenheit eines begrenzten Ganzen (Dschunke) zeigt, in Szene gesetzt nach bestimmten Regeln und begleitet vom Wissen der Differenz zum gewöhnlichen Leben, fern jeglicher Kampfanweisung für einen feministischen Alltag

EMMA Nr. 8, August 1977
[…] 80 000 Mark vom ZDF. Das ist für einen Spielfilm sehr wenig. Es reicht auf keinen Fall für eine große, aufwendige Produktion.
[…] Ulrike deklarierte den Bodensee kurzerhand zum chinesischen Meer. Ihre Darsteller sind Laien, alle aus ihrem Freundeskreis, zwölf Frauen und ein Mann, aus verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Berufen. Malerin, Tänzerin, Stilistin, Kunsthändlerin, Journalistin. 'Leute', so sagt Ulrike, 'die gewohnt sind, Hindernisse zu überwinden und Risiken einzugehen, um ihre Träume zu verwirklichen […].
Wie kam Ulrike auf diese Geschichte?
‚In einem Buch stieß ich auf eine Fotografie, die mich sehr faszinierte. Sie zeigt die chinesische Piratenkönigin Lai Cho San an Bord ihrer Führerdschunke um 1930. Ich überlegte mir, ob ihre Dienerin, die neben ihr saß, wegen des sicher ungewohnten Fotografen so verschämt zur Seite blickt, obwohl sie ein Gewehr in der Hand hielt, oder aus Respekt vor Lai Cho San, die gerade mit entschlossener Geste nach ihrem Gewehr greift. Das Foto erzählte mir eine Geschichte, und je länger ich es ansah, um so mehr Fragen stellten sich mir‘ […].

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