Eine Chronologie, die sich der historischen Spezifität geradezu verweigert — im Bemühen, gegen die punktuellen Sensationsmeldungen der Medien den langen Atem von Beobachtungen zu setzen [...] Eindrucksvoll ist die Ruhe des Films, die Zeit, die er den Zuschauern läßt, sich selbst Fixpunkte in den Bildern zu suchen, die Geduld, die er für 'Unscheinbares' hat [...] Momente von intensiver Qualität, in denen sich die Blickhaltung der Filmemacherin direkt auf den Zuschauer überträgt, gibt es z.B. am dritten Tag. Das filmische Kapitel ist als 'Wirtschaftsnomaden' betitelt und fängt das Treiben von Rumänen, Polen, Sinti und Roma rund um den Bahnhof Zoo ein, den Kleinwarenhandel von Schwarzmarktgütern und Devisen. Die Kamera heftet sich auf den Boden, erfaßt 'Nebensächliches', Cola-Dosen in Plastikeimern, die abgetragenen Schuhe der Händler in verschiedenen Konfigurationen, Mütter mit ihren Kindern am Boden kauernd. Am zweiten Tag gilt das Interesse dem Souvenirverkauf am Reichstag. Immer wieder fährt die Kamera über die Kopfbedeckungen russischer Soldaten, die dort zu Unmengen auf langen Tischen ausliegen. Hinter diesen wiederholten Bewegungen [...] scheint Verwunderung, Neugier, aber auch die Frage zu stecken, welche Prozesse dazu führen, daß aus symbolträchtigen, Status, Staatsmacht und Gewaltmonopol repräsentierenden Gegenständen nun Fetische ganz anderer Art werden.
Annette Brauerhoch, Frauen und Film, Nr. 50/5 1, 1991