Marli Feldvoß, epd Film, Nr. 5, 1992
Mit großer Selbstverständlichkeit folgt Ulrike Ottinger den Spuren der Yak- und Rentiernomaden, schreitet als Kamerafrau durch das große Himmelstor in weite unberührte Landschaften und erklärt den erkundenden Kameraschwenk zum bestimmenden Erzählgestus.
Der achteinhalbstündige, in achtunddreißig Episoden unterteilte Film folgt dem Weg der Nomaden vom Sommer- ins Winterlager, aber er verfolgt auch den Weg vom Ursprung zur Moderne. Er führt von den Jurten und den streng befolgten archaischen Bräuchen - da müssen die Geister wohlgesonnen sein, stets wird die Schamanin um Rat gefragt - hin zu den Blockhütten der Städte. Automatisch klopft man die Bilder danach ab, was an mongolischen Einflüssen geblieben ist, danach, wo und wie der Kulturtransfer verläuft. Da trifft man auf die Photographen, deren Erinnerungsbilder auch schon die Wände der Jurten schmücken, Kinder, die auf hölzernen Rentieren Karussell fahren, zuletzt auf eine Jurte aus Zement, in der ein fahrender Sänger als Epenerzähler auftritt. Was vorher authentisch war, ist jetzt schon Zitat […]
Hark Bohm, Hamburger Abendblatt, 02.09.1993
Wir entdecken, wie die Kultur den Alltag durchwebt: die Spottlieder, die Balladen, den Schmuck, die kunstvollen Plastiken, den rücksichtsvollen Umgang miteinander und mit den Tieren, den Respekt vor Freunden! Immer wieder sehen wir, mit welcher Härte und Disziplin diese Menschen arbeiten müssen, um in der grandiosen Schönheit einer gleichgültigen Natur ein Leben führen zu können, in der die Gast-Kultur erst den Zusammenhalt der Gruppe, die unerläßlichen Informationen, ja die Moral herstellt, die jeder Mensch der Erde braucht.
John Rockwell, 100 Movies A Day ‚Without Insanity‘, New York Times, 22.02.1992
„l SAW TAIGA“ Ms. Cooper says. „THIS WAS DEFINITELY A GOOD DAY.“
Georgia Brown, The Village Voice, N. Y, March 9, 1993
Ulrike Ottinger's TAIGA comes as cool relief and a stark reminder of how ‚civilization‘ has shifted focus from community to individual. Ottinger's staggeringly patient ethnographic project – recording the way they live now – is a labor of exemplary attention and reticence.
Martin Schaub, Tagesanzeiger MAGAZIN Nr. 23, 12.6.1993
Die Resultate der Expedition sind atemberaubend, nicht nur weil sie das ‚ganz andere‘ dokumentieren, sondern vor allem, weil sie so schön sind. Vor den Augen der Fremden tun sich eine grandiose Welt und ihre angemessenen Lebensformen auf. Die Kamera schwenkt und schwenkt und schwenkt wieder; wie Rollbilder entfalten sich diese Landschaften in ihrer nordisch anmutenden dezenten Farbigkeit; die Kamera ‚liest‘ das Hochplateau der Darchad vorwiegend ‚europäisch‘ von links nach rechts. Auch bei den lnnenaufnahmen schweift das Kameraauge sanft und ruhig umher, von den Tönen dirigiert, die zuerst ausserhalb des Bildausschnitts laut werden. Von der Schamanin auf die Teilnehmer ihrer Séance und wieder zurück auf die Frau, die ihre Trommel schlägt, in Zungen redet und Anweisungen für die notwendigen Opfer gibt. Vom Stiefelmacher auf seine Frau, die Milch-schnaps destilliert, und wieder zurück. Ein Jahr braucht der Stiefelmacher für ein Paar. Warum soll da ein Film nur 90 Minuten dauern?
Stephen Holden, The New York Times, March 4, 1993
The most remarkable quality of TAIGA is its aura of timelessness. Like the way of life it portrays, the film exhibits no sense of urgency. Although it follows a rough chronology, it does not try to tell a conventional story or express a strong historical or sociological point of view. Nor does it seem to want to idealize its subjects, who are aware of the film crew and eager to show off their skills.
In the most effective scenes, conventional cinematic momentum simply halts and the camera dwells on the extended moment. Without making a fetish of showing everything in real time, TAIGA has enough such moments to give the viewer much more than a tourist's-eye view of an ancient tribal culture. At such times, it conveys a sense of really being there.
Berenice Reynaud, Cinemaya 17-18/1992 93
TAIGA is not only one of the most fascinating films of the year, but a landmark in the West's attempts to represent the East.
Helma Sanders-Brahms, Film und Fernsehen, Heft 20, 1992
Ich bin aus der Hektik der Berlinale in Deinen Film gegangen und habe mich endlich satt sehen dürfen. An Steppe, Menschengesichtern, Feuern, blauem Himmel. […] Man möchte in die Leinwand steigen und die Bilder festhalten, damit das, was sie zeigen, bleiben darf.